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Die Wege des Menschen prägen Kultur und
Region. Hier beginnt eine kulturelle Spuren-
suche rund um Anna Stainer-Knittel.

Dieser Gedenkweg führt in einer erlebnisrei-
chen Rundwanderung hoch in den alpinen Be-
reich, über Mähder, Wiesen und Almen, mit
beeindruckenden Ausblicken auf die Bergwelt
und die Tallandschaften.

Anna Stainer-Knittel (1841 – 1915), Tochter
eines Büchsenmachers, stammt aus dieser
Region. Das Alltagsleben im Lechtal und der
Umgang mit der Natur waren ihr wohlvertraut.
Doch sie wählte einen besonderen Lebens-
weg: 1859 begann sie ein Studium an der
Kunstakademie in München, für Frauen in der
damaligen Zeit eine große Herausforderung.
Nach einiger Zeit kehrte sie zurück nach Tirol,
malte Porträts und Landschaftsbilder. Gegen
den Willen ihrer Eltern heiratete sie 1867 den
Gipsformator Engelbert Stainer und eröffnete
im Jahr 1873 in Innsbruck eine Zeichen- und
Malschule für Damen, die sie hingebungsvoll
bis in ihr hohes Alter leitete.

Mit siebzehn Jahren nahm sie in der steilen
Saxenwand (Madau) einen Adlerhorst aus, um
die Angriffe eines Adlers auf die weidenden
Schafe zu verhindern. Diese Szene aus ihrem
Leben wurde in literarischen Bearbeitungen,
in Filmen und einer Oper dramatisch insze-
niert und machte aus ihr eine Kunstfigur – die
„Geierwally“. Hingegen kaum bekannt ist ihr
Schaffen als ambitionierte Künstlerin.

Auf diesem Rundwanderweg erlebt man auf
beeindruckende Weise die Besonderheiten
des Lechtals und des Madautals. Almen und
Jochübergänge zeugen von alten Wirtschafts-
weisen und Handelswegen. Seltene alpine
Pflanzen wachsen neben breit wuchernden
Alpenrosensträuchern, Lärchen, Fichten und
Zirben. Der Lech bestimmt die Landschaft
im Tal, der Alperschonbach prägt mit seinen
vielen Seitenbächen und engen Schluchten
das Madautal. Und gerade diese natürlichen
Schönheiten einer Region, und seien sie auch
noch so unscheinbar, gilt es mit den Augen
einer Künstlerin zu sehen – wie einst Anna
Stainer-Knittel in ihren Bildern.

Ausgangs- und Endpunkt dieses Gedenkwegs
ist hier in der Gemeinde Bach. Die Gemeinde
wurde 1427 erstmals urkundlich erwähnt und
besteht aus mehreren Ortsteilen, Weilern und
Hofgruppen. Auf einigen Häusern finden sich
noch Fresken, die vom Können einheimischer
Kunsthandwerker der vergangenen Jahrhun-
derte zeugen. Nicht nur der Anna Stainer-
Knittel Gedenkweg verweist auf die große
Bedeutung von Bach als Ausgangspunkt für
Berg-, Fern- oder Themenwanderungen. Wer
auf dem Europäischen Fernwanderweg E5
unterwegs ist, macht hier Station, bevor die
Wanderung dann in Richtung Süden durch
das romantische Madautal fortgesetzt wird.

Direkt und indirekt hat Anna Stainer-Knittel
hier ihre Spuren hinterlassen, ebenso wie in
den Lechtaler Gemeinden Elbigenalp (dem
Geburtsort der Malerin), Gramais, Häselgehr,
Holzgau und Kaisers. Neben der Künstlerin
gibt es aber auch andere Persönlichkeiten,
die über das Lechtal hinaus bekannt waren
und sind. Der Weg erzählt Geschichten von
Menschen und deren Fähigkeiten, von ver-
gangenen Alltagskulturen, vom Umgang mit
der Natur und über Gefahren in den Bergen.

Begeben wir uns auf die Spuren dieser Zeit!
Lassen wir uns ein auf die Geschichte dieser
Region und erleben sie auf eine besondere
Art und Weise – beim Wandern mit offenen
Augen für die Berglandschaft, verbunden mit
kulturgeschichtlichen Informationen. Folgen
wir den LechtalSpuren ganz unter dem Motto:
Es braucht den Mut, Altes zu bewahren und
Neuem zu begegnen.

Einstmals stand hier der um 1470
errichtete namensgebende Eckhof..
Heute sind es schlichte, in Block-
bauweise errichtete Hütten, welche
eingebettet in die blühenden Mäh-
der Zeugnis von früheren Zeiten ab-
legen. Damals waren die Eckhöfe –
Häuser mit Wirtschaftsteilen – sogar
ganzjährig bewirtschaftet. Was uns
heute urig und gemütlich erscheint,
bedeutete einst mühevolles Arbei-
ten und Dasein. Die Familien lebten
auf engstem Raum miteinander, es
gab keinerlei Privatsphäre und das
Zusammenleben verlief nicht immer
konfliktfrei. Dennoch konzentrierte
man sich stets auf das Wesentliche,
nämlich das gemeinsame Arbeiten
zur Bewältigung des Daseins.

Man musste selbst die kleinsten und
abgelegensten Wiesen und Mähder
nutzen, um ein karges Auslangen zu
finden. Dies kam nicht zuletzt vom
einstmals bestimmenden Erbrecht,
der Realteilung, wonach der Besitz
eines Bauern auf alle Nachkommen,
Töchter wie Söhne, aufgeteilt wurde.

Kleine Parzellen brachten dabei nur
geringe Erträge – meist zum Leben
zu wenig und zum Sterben zu viel.
Auch wenn die Eckhöfe heute nicht
mehr in ihrem ursprünglichen Sinne
genutzt werden, legen sie zumindest
aus architektonischer Sicht Zeug-
nisse einstiger Lebensweisen ab.

Besonders beeindruckt die Architek-
tur der Blockbauweise, bei der man
kantige Balken oder Rundhölzer auf
Steinfundamente oder Hartholzrah-
men „zimmerte“. (Dies wurde unter
anderem auch bei der Erstellung der
neun Infostationen berücksichtigt.)
Diese Form der Holzbauweise hat im
alpinen Raum ohnedies eine lange
Tradition, weil die luftig geschichtete
Balkenkonstruktion zimmermanns-
technisch relativ einfach zu bewerk-
stelligen war. Dabei entstandene Luft-
spalten zwischen den Balken stopfte
man in Wohnbereichen zumeist mit
Moos, Mist oder auch Lehm zu.

Die Mähder im Weiler Eckhöfe
überraschen nach wie vor mit einer
Fülle an Alpenblumen und Heilkräu-
tern wie etwa dem Blauen Eisenhut,
Knabenkraut, Sonnenröschen oder
Arnika. Die Vielfalt an Kräutern und
Blumen zeugt zudem davon, dass es
keine einseitige Überdüngung gibt.

Gerade diese Pflanzenvielfalt dürfte
wohl auch Anna Stainer-Knittel auf
ihren Wegen in die Berge begeistert
haben. Festgehalten hat sie die un-
terschiedlichen Blumen nicht nur in
ihren Gemälden, sondern auch als
Dekor auf Porzellangegenständen –
siehe Station 7. Exotisch anmutende
Pflanzen kommen dabei ebenso vor
wie Blumen von Gartenanlagen und
Arrangements der heimischen Berg-
welt. Nicht zuletzt bekannt sind etwa
auch ihre gemalten Herbare.

Bezeichnend für all diese Studien ist
ein Hauch von Sinnlichkeit, der dem
Fotorealismus nahe liegt und dabei
auf das Wesentliche konzentriert ist.

Dies hier ist kein Aussichtspunkt –
aber an dieser Stelle sind über die
letzten Jahrhunderte viele Menschen
vorbeigezogen, um zu überleben…

Einst waren es keine Wanderer oder
Touristen, sondern Leute aus dieser
Region, die über die Jöcher hinweg
Handel betrieben oder Vieh auf den
Almen betreuten. Auch die Besied-
lug des Lechtales erfolgte vorwie-
gend über diese Bergeinschnitte.

Um ein wirtschaftliches Auslangen
zu finden, nutzte man die Bergüber-
gänge, die man früher nicht scheute,
obwohl sie mühselig waren. Zudem
hatte etwa das Weiderecht über die
Bergpässe hinweg Gültigkeit – man
musste sich wirtschaftlich und auch
menschlich arrangieren.

Menschen
standen darum, nicht nur auf dasTal
begrenzt, sondern auch über Jöcher
hinweg, miteinander in Kontakt.

So manches Gerät oder Lebensmittel
wurde getauscht, ge- oder verkauft.
Aber auch Kulturgut, wie Musik und
Tanz, brachte die Menschen einan-
der näher. Über die Jöcher kam man
zusammen, wovon Liebschaften so-
wie geschlossene Ehen zeugen. Ge-
radezu legendär waren zu jener Zeit
Tanzveranstaltungen, selbst auf den
entlegenen Hochalmen. Fern ab von
der sozialen dörflichen Kontrolle wa-
ren dies gesellige Zusammenkünfte,
die die spärliche Freizeit prägten.

Aufgrund schlechter wirtschaftlicher
Bedingungen mussten etliche Lech-
taler abwandern. Unzureichende Er-
träge aus der Landwirtschaft führten
ab dem 17. Jh. vermehrt zu Saison-
arbeit. Dabei verdienten die Männer
teilweise über mehrere Monate, vor
allem als versierte Handwerker und
Wanderhändler, in der Ferne ihr Ein-
kommen. Ihre Fertigkeiten und auch
Arbeiten, besonders im Bereich des
Kunsthandwerks, waren im Ausland
weitum bekannt. Frauen, Kinder und
alte Menschen bewirtschafteten in
der Zwischenzeit die zumeist kleinen
Anwesen in der vertrauten Heimat.

Die „Alperschonalm“ liegt hier auf ca.
1670 m und diente bis ins Jahr 1959
als Senn- und Melkalm. Seit vielen
Jahren ist die Alm aber nicht mehr
regelmäßig bewirtschaftet. Fallweise
kamen seit 1959 das Galtvieh, das
sind weibliche Rinder bis zur ersten
Abkalbung, sowie Stiere und Ochsen
unter zwei Jahren hierher. Seit 2012
nützt man sie wieder als Melkalm.

Senner oder Sennerinnen gingen die
Sommermonate über vom Tal hinauf
in einsame Berggegenden, weil das
Vieh versorgt und gehütet werden
musste. Milch wurde mit einfachen
Gerätschaften und viel Aufwand zu
Butter und Käse verarbeitet.

Jedoch war man als Selbstversorger ange-
halten zu sparen. Dabei bestimmten
einfaches Wasser- oder Türkenmus
(Maismus) sowie Brot und Käse den
alltäglichen Speiseplan. Fleisch gab
es äußerst selten, zumeist von abge-
stürzten Schafen. Und dennoch gab
es auch unterhaltsame Stunden, vor
allem dann, wenn Besuch aus dem
Tal oder von einer der benachbarten
Almen, kam. Dann wurde musiziert,
getanzt und erzählt: Sagen, Geister-
geschichten und vor allem die Neu-
igkeiten und Ereignisse aus dem Tal.

Almen gehören an sich eher selten
einem einzigen Bauern. Die Besitz-
verhältnisse können unterschiedlich
sein, wie etwa Gemeinschaftsalmen
mehrerer Einzelpersonen bzw. eines
Dorfes oder auch Genossenschafts-
almen. Die Alpe „Hinteralperschon“
befindet sich im Besitz der Agrarge-
meinschaft Grins bei Landeck.

Diese Form der Almnutzung beruht auf al-
ten Rechtsverhältnissen, die sich bis
zum heutigen Tag gehalten haben.

Südlich des Alperschontales erhebt
sich die Freispitze (2884 m) auf be-
eindruckende Weise mit ihren bis zu
600 m hohen Steilwänden. Die erste
dokumentierte Besteigung der Frei-
spitze führte 1879 zum Gipfel. Auch
die wagemutige Bergsteigerin Anna
Stainer-Knittel wird von dieser Erst-
begehung gehört haben.

Viele Tage verbrachte sie hoch oben
im Gebirge, wo jene Freilichtskizzen
entstanden, aus welchen sie letzt-
endlich beeindruckende Bilder der
schroffen Lechtaler Bergwelt schuf.

Knapp unterhalb der Baumgrenze gelegen, beinahe geduckt unter einer Felsformation steht sie hier, die Schaferhütte. Bis in die Fünfzigerjahre des 20. Jh.

wurde die Alm von den Bauern aus Grins im Stanzertal genutzt, die nach wie vor die Grundbesitzer sind.
In dieser steilen Hochfläche weideten zu jener Zeit die gesamten Sommermonate über Schafe. Diese sind wesentlich genügsamer als Rinder – selbst in
den hochgelegenen Steillagen finden sie ihr Futter. Eigene Ställe zur Unterbringung waren nicht notwendig, doch drohten immer wieder Gefahren. Die steilen Berghänge mit unwegsamen Pfaden brachten, im Besonderen bei Unwettern oder Wetterum-
schwüngen mit Schneefall, die ansonsten so trittsicheren Schafe häufig zum Absturz. Zudem waren es auch oft Adler, die sich gerade Lämmer als Beute für ihre Brut aussuchten. Anna Stainer-Knittel ver-
hinderte mit ihrem wagemutigen Ausnehmen eines Adlerhorstes in der Saxenwand Schaden an der Lebensgrundlage der armen Schafbauern.

Die Schafhaltung war früher ein wichtiger Bestandteil der bäuerlichen Selbstversorgung. Neben dem Fleisch nutzte man vor allem die Wolle. Es war die
vordringliche Aufgabe der Schäfer, die Herden auf den Almmähdern zu hüten und sie bei Gefahren situationen wieder in gesicherte Lagen zu bringen.

Die Verarbeitung der Schafprodukte erfolgte im Tal. Im Herbst wurden die Schafe geschoren. Während der langen Herbst- und Wintermonate beschäftigten sich die Frauen mit dem Spinnen und Stricken von
Westen, Mützen, Socken, Handschuhen und Schals.

Heutzutage weiden Schafe während der Sommermonate zumeist unbeaufsichtigt. Das war einst, vor allem bei den größeren Schafherden, nicht der Fall. Die Hirten lebten in ähnlichen Hütten wie dieser hier.
Von der kärglichen Einrichtung kann man sich auch jederzeit selbst überzeugen. Als Bettstatt diente dabei ein einfacher Strohsack, eine kleine Feuerstätte
spendete etwas Wärme und diente gleichzeitig zum Kochen der spärlichen Mahlzeiten. Am Abend erhielt man Licht nur durch kleine Holzkienspäne, die man
jedoch sorgsam im Auge behalten musste. Einerseits sollte die einzige Lichtquelle nicht erlöschen, andererseits musste man sich vor Feuerausbruch schützen. Schäfer lebten damals sehr einsam. Nur äußerst selten bekamen sie willkommenen Besuch vom Tal.

Anna Stainer-Knittel wusste um die Bedeutung der Rohstoffe Wolle und Holz für die Selbstversorgung. In einem ihrer Gemälde verewigte sie beispielsweise
ihre Schwester mit Spinnrad. In vielen weiteren ihrer Naturdarstellungen hielt sie Wälder und prägnante Baumgruppen, mit viel Liebe zum Detail, fest.

Die Almweiden, Wiesen und Matten bieten während der Sommermonate verschiedenste Heilkräuter und eine
Vielfalt an Alpenblumen. Eine ganz besondere Augenweide stellen hierbei die prächtigen Alpenrosen dar, die allerdings bei den Bauern als Weideunkraut gelten.
Anna Stainer-Knittel bevorzugte sie als Blumenmotiv.

Beachtenswert ist die südlich der Hütte gelegene, als Naturdenkmal ausgewiesene, Zirbengruppe. Die immergrüne Zirbe ist die frosthärteste Baumart der Alpen. Das weiche und daher leicht zu bearbeitende Holz nutzt man nach wie vor gerne zur Herstellung
von Möbeln und Schnitzereien. Nutzbringende Alltagsgegenstände wie zum Beispiel Brottöpfe wurden aus Zirbe angefertigt, weil das im Holz enthaltene
ätherische Öl gegen Schimmel vorbeugt.

Nordwestlich der Schaferhütte ragt die Wetterspitze (2898 m) hervor. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit
hat Anna Stainer-Knittel als erste Frau den Gipfel erklommen. So ist es ihren Tagebuchaufzeichnungen zu entnehmen: “An dem Fallenbach Ferner vorbei,
an grässlich schroffen Steinblöcken entlang gings dem herrlichen Wetterspitz entgegen. Ein wüster, mit Steingeröll gespickter Grat noch und wir waren am Fuß der Spitze angekommen…als ich mutig voraus
über die fünf Schritt langen Scharte hinüberging, wo es auf der linken Seite blau hinab in die fürchterliche Tiefe ging und auf der rechten ein wüstes Zackengerölle… Welch ein Moment, welch eine Majestät,
die Runde von Bergspitzen! …Wo wir saßen, da war kein ebener Platz, kaum, dass man für die Geometer eine Steinpyramide aufrichten konnte. Wir mussten
rittlings auf dem zerbröckelten, klüftigen Grat weiter rutschen. Auch pfiff ein kalter Wind, und so machten wir uns an den Abstieg.“ (20. Juli 1864 oder 1865)

Die Saxenalm liegt im Gemeindegebiet
von Zams, befindet sich nunmehr aber
schon seit vielen Jahren im Eigentum
von Bauern der Gemeinde Bach und
Umgebung. Vor Jahrhunderten schon
wurde die Alm als Melk- und Sennalm
genutzt und zuletzt 1983 den baulichen
Anforderungen der Zeit angepasst.

Ein
oder zwei Hirten sowie ein Senner und
ein Knecht sorgten für das Vieh und die
Verarbeitung der Milch. Die Butter wur-
de zumeist wöchentlich auf mühseligen
und steilen Wegen ins Tal gebracht. Der
Käse reifte bis zum Herbst auf der Alm.
Mitte der Achtzigerjahre des 19. Jh. er-
richtete man einen Gemeinschaftsstall
samt neuer Wohnhütte.

Um 1931 kam
ein massiv gebauter Lawinenstall hinzu.
Die Umgebung hier dürfte auch Anna
Stainer-Knittel beeindruckt haben. Sie
verewigte die einstigen Einzelställe der
Bauern mitsamt Wohn- und Sennhütte
in einem ihrer Gemälde. Dieses Bild ist
derzeit die älteste bildliche Darstellung
jener Almgegend hier im Lechtal (siehe
dazu Station 7 – „Wetterhäusl“).

Wer war Anna Stainer-Knittel?
Welche Persönlichkeit verbirgt sich
hinter dieser Frau, die als Vertreterin
für eine starke und mutige Tirolerin
gilt? Ihre Heimat war das Lechtal.
Anna wurde Künstlerin, sie studierte
im Ausland und kehrte wieder zurück
nach Tirol. Sie widersetzte sich dem
Willen ihrer Eltern und heiratete aus
Liebe. Sie war eine fürsorgende Mut-
ter und leitete ihre eigene Malschule.
Ihre Biografie zeigt eine Frau mit ho-
hen Ambitionen, die sich durchsetzte
– ohne jedoch ihre Wurzeln zu ver-
leugnen. Sie lebt fort in ihren künst-
lerischen Werken, als „Geierwally“
in den literarischen Bearbeitungen,
als zentrale Gestalt in der preisge-
krönten Oper „La Wally“ von Alfredo
Catalani (1892), in Filmen sowie als
Namensgeberin der beeindruckenden
Freiluftbühne in Elbigenalp.

Anna Stainer-Knittel wurde 1841 in
Elbigenalp geboren und verstarb im
Jahr 1915 in Wattens. Ihre Grabstätte ist
im Willtener Friedhof in Innsbruck.
Die Tochter des Büchsenmachers Jo-
seph Anton Knittel und der Bäuerin
Kreszenz M. Scharf wuchs als zwei-
tes von vier Kindern in einfachen Ver-
hältnissen auf, kam aber schon früh
mit der Kunst in Berührung.

Der berühmte Kupferstecher, Maler
und Lithograph Johann Anton Falger
(1791-1876), ein weitschichtiger Ver-
wandter von Anna, arbeitete mehrere
Jahre über in München. Seine späten
Lebensjahre verbrachte der als „Va-
ter des Lechtals“ bezeichnete Men-
tor und Freund von Anna sehr aktiv
in Elbigenalp im Lechtal.

Ebenso großen Einfluss auf sie hatte
ihr Großonkel Joseph Anton Koch
(1768 – 1839), der Begründer der
heroischen Landschaftsmalerei, der
in Rom und Wien wirkte. Er genießt
internationale Anerkennung und hat
unter anderem auch den Nazarener-
stil beeinflusst. Anna Stainer-Knittels
künstlerisches Talent blieb nicht un-
entdeckt. Im Jahr 1859 besuchte sie
eine private Kunstakademie in Mün-
chen, als Frau zu der damaligen Zeit
ein eher außergewöhnlicher Schritt.
Die Akademie der Bildenden Künste
nahm erst 1903 Frauen in den Hoch-
schulbereich auf. Ichr künstlerischer
Schwerpunkt lag in der Porträtmale-
rei. Kleinere Landschaftsstudien folg-
ten. In einem regen Briefverkehr be-
richtete sie den Mentoren über ihre
Arbeiten, aber auch über Heimweh
und das Leben in der Fremde. Geld-
mangel führte 1864 dazu, dass sie
nach Elbigenalp zurückkehrte. Dort
konnte sie unbeirrt weiter malen. In
dieser Zeit entstanden Porträts der
Familie, Heiligenbildchen und Land-
schaftsansichten aus dem Lechtal.

Anna übersiedelte schließlich nach
Innsbruck und finanzierte sich den
Lebensunterhalt mit ihrer Kunst. Dort
lernte sie 1867 den Gipsformer Engel-
bert Stainer aus Pfunds kennen und
lieben. Ihre Eltern waren gegen diese
Verbindung, doch Anna behauptete
sich und heiratete. Die Hochzeit fand
in Elbigenalp statt. Diese Heirat war
ein wichtiger Schritt in ihrem Leben,
welchen sie niemals bereute. In den
folgenden sechs Jahren brachte sie
zwei Söhne und auch zwei Töchter
zur Welt. Im Jahre 1873 gründete sie
ihre eigene „Zeichen- und Malschule
für Damen“ in Innsbruck, die sie bis
in ihr hohes Alter engagiert betreute.
Die Porträtmalerei wurde Mitte der
Siebzigerjahre des 19. Jh. durch die
aufkommende Fotografie zusehends
zurückgedrängt. Sie hatte zu wenig
Aufträge und so begann sie sich auf
Anraten ihres Mannes der Blumen-
malerei zuzuwenden. Anna befasste
sich mit der heimischen Blumenwelt,
malte Wiesen- und Alpenblumenar-
rangements und verfeinerte stets die
Technik. So konnte sie dann bald mit
Freuden ihrem Mann Engelbert den
gewünschten „Blumenstrauß, der nie
verwelkt“, überreichen. Ihre botani-
schen Blätter waren auch Grundlage
für wissenschaftliche Studien.

Ihr Markenzeichen wurde in der letz-
ten Schaffensperiode der mit einem
Blumenkranz dekorierte Landschafts-
ausschnitt (siehe dazu Station 3). Sie
begann auch Blumenmotive auf Por-
zellan zu malen. Zuerst verzierte sie
nur kleine Gebrauchsgegenstände,
bald auch Kaffee- und Tafelgeschirr,
Obstschalen und Servierplatten.

Anna Stainer-Knittels Persönlichkeit
zu begegnen bedeutet, sie in all ihren
Facetten wahrzunehmen – als Künst-
lerin, als Malerin, als Mutter und als
Ehefrau. In der Öffentlichkeit wurde
Anna Stainer-Knittel vor allem wegen
ihres mutigen Einsatzes beim Aus-
heben eines Adlerhorstes bekannt.
Hier in der Nähe des „Wetterhäusls“
befindet sich die legendäre Saxen-
wand. Im Jahre 1858 nahm die sieb-
zehnjährige Anna Knittel – im Lechtal
„Nanno“ genannt – einen Adlerhorst
aus. Keiner der Burschen wagte die
Mutprobe, nur sie: „Ich bin der Mann
dazu!“ Ganz allein ließ sie sich in die
steile Felswand abseilen. Fünf Jahre
später wiederholte sie die mutige Tat.

Anna schreibt in ihren Aufzeichnun-
gen… „Alle Augen sahen auf mich,
ob mir auch noch wohl sei, allein, ich
verspürte keine Angst. … grausig kalt
wehte der Wind vom Abgrund her-
auf. Bald darauf sah ich mich … frei
in der Luft schweben. Das Seil fing
an, sich zu drehen, sodass ich nun-
mehr mit dem Gesicht willenlos der
schrecklich schönen Aussicht zuge-
kehrt war … Ich fand den Gesuch-
ten und neben ihm ein halb verzehr-
tes Lamm … Zuerst griff ich mit der
Hand nach dem jungen Adler…ich
kniete nieder und liebkoste ihn.“

Es folgten literarische Bearbeitungen
jener Szene von Ludwig Steub, Anton
Renk, Wilhelmine v. Hillern, Spielfil-
me und auch eine Oper. Doch Anna
Stainer-Knittel war mehr als nur die
literarische Figur. In einer für Frauen
untypischen Art entschied sie sich
damals für ein außergewöhnliches
Leben, und so lebt auch ihre Persön-
lichkeit weiter, denn …Es braucht
den Mut, Altes zu bewahren und
Neuem zu begegnen.

Obiges Bild malte Anna Stainer-Knittel genau an dieser Stelle. In ihrem Tage-
buch beschreibt sie, wie ihr der Vater die Malutensilien mit einem „Karrele“
zur Seelealm transportierte, um auf Sax eine Woche lang malen zu können.

Dieses Gebiet ist dicht bewaldet, das
wusste man auch in früheren Zeiten
schon zu nutzen. Holz war ein wich-
tiger Rohstoff, der zum Heizen und
für den Haus- und Stadelbau benö-
tigt wurde. „Die Holzbringung“ – das

Fällen der Stämme und die Lieferung
ins Tal – erforderte große körperliche
Anstrengung und eine unglaubliche
Ausdauer. Lange Zeit war es üblich,
das Holz zu „triften“, wobei Baum-
stämme und kürzere Holzprügel in
den Bachlauf geworfen und weiter
talabwärts wieder ans Ufer ge-
zogen wurden. Diese Methode mag
vorerst vielleicht einfach klingen, ist
aber in Wirklichkeit eine äußerst ge-
fährliche Männerarbeit.

Marterln, Gedenkstätten und Kruzi-
fixe zeugen von den Unfällen und so
manchem Todesfall. Die Holztrift er-
folgte im Herbst. Warme und auch
wasserdichte Kleidung war immer
notwendig. Die Männer trugen für
diese Arbeit dicht gewalkte Loden-
hosen, grob genagelte Schuhe und
Fußeisen. Ein wichtiges Handwerks-
gerät bei der Holztrift war die „Grieß-
beilstange“, eine Kombination aus
Lanzenspitze und Wendehaken.

Beschwerlich war jedoch auch die
Jagd. Man jagte nicht der Trophäen
wegen, sondern um etwas Fleisch
zu bekommen. Der Wildbestand in
der Region ist sicherlich reichhaltig,
doch musste man in früheren Zeiten
stundenlange Fußmärsche dafür auf
sich nehmen – von Jagdromantik war
zumeist keine Spur. Die Bauern hat-
ten ihre Familien zu ernähren und
der karge Bestand an eigenem Vieh
reichte dafür meist nicht aus.

In der 2. Hälfte des 19. Jh. hielt der
Tourismus Einzug im oberen Lechtal.
Ganz der Romantik verhaftet suchte
die städtische Bevölkerung die Natur
und das scheinbar ungezwungene
Leben auf dem Land oder im Alpen-
raum. In dieser Zeitspanne wurden
auch die ersten Alpenvereinshütten
und dazugehörige Aufstiegs- sowie
Verbindungswege errichtet. Als Weg-
bereiterin für den Tourismus hier im
Lechtal ist unter anderen vor allem
die bayerische Königinmutter Marie
anzusehen, die viele Jahre über mit
ihrem Hofstaat den Sommerurlaub
in Elbigenalp verbrachte.

Reiseschriftsteller und Maler trugen
zum frühen Tourismus bei. In ihren
Berichten schrieben sie vom Leben
der einfachen Bevölkerung, Leben
im Einklang mit der Natur, sie malten
Landschaften und zeichneten Trach-
ten. Sie sahen weniger das armselige
Leben als vielmehr das Ursprüngli-
che, Urwüchsige und Romantische.
Mancher „frühe Fremde“ mag auch
wegen Anna Stainer-Knittel ins Lech-
tal gekommen sein. Zunächst wohl
nicht ihrer künstlerischen Arbeit we-
gen, sondern auf der Suche nach je-
ner so wagemutigen und naturver-
bundenen Frau. Sie verkörperte die
freiheitsliebende und lernbegierige
Tirolerin, die auch in entscheidenden
Situationen ihren Willen durchsetzte.

Hier in Madau werden Geschichten
und Geschichte zum Erlebnis. Diese
Ansiedlung hat viel vom einstigen All-
tagsleben, von Grundbesitzrechten,
der Volksreligiosität, oder auch von
den Lawinengefahren zu erzählen.
Die Bergsiedlung Madau gehört zum
Gemeindegebiet von Zams, liegt auf
1308 m Seehöhe und wurde 1479
erstmals urkundlich erwähnt. Auch
weiß man, dass die Siedlung Madau
zunächst als Alm die Sommermona-
te über bewirtschaftet und bewohnt
wurde. Kaiser Maximilian erwähnte
mitunter im Jagdbuch von 1500 die
dortige „gembs- und steinpöckhjaid“.
Der Steuerkataster von 1627 weist dem
Ort zwei Höfe und eine Alm aus. Erst
später entwickelte sich eine Dauer-
siedlung durch Aussiedler aus dem
Stanzertal. Im Jahr 1754 zählte der
Weiler nur 22 Einwohner, 30 Jahre
später bereits rund 60. Das Hochtal
Madau kam 1810 vom Gericht Land.
eck zum Gericht Reutte. In der ersten
Hälfte des 19. Jh. zogen schließlich
die Bewohner ins Lechtal. Seither ist
Madau nur noch im Sommer, vorwie-
gend von Gästen, bewohnt. Der heu-
tige Gasthof „Hermine“ wurde in den
Dreißigerjahren des 20. Jh. erbaut.

Das kleine Madau liegt inmitten der
höchsten Gipfel der Lechtaler Alpen,
der Freispitze (2884 m), der Wetter-
spitze (2898 m) und dem einzigen
„Dreitausender“, der Parseierspitze
(3038 m). Der berühmteste Bürger
Madaus war der Barockbaumeister
Franz Singer (1701 –1757), der vor
allem in der Schweiz zahlreiche Kir-
chen und Bürgerhäuser erbaute.

Der Alltag war damals von mühsamer
Arbeit geprägt. Über beschwerliche
und steile Wege wurde das Vieh im
Frühsommer aufgetrieben und auf
den Weiden betreut. Die sogenannten
Pille (Heustädel) dienten dabei zur
Lagerung des Heus. Damit wurde im
Spätherbst an das Jungvieh gefüttert.

Man vertraute auf das Wissen der Al-
ten, auf überlieferte Erfahrungen und
man erbat göttliche Unterstützung.
Die Volksreligiosität war stark in der
Bevölkerung verwurzelt. Davon zeugt
nicht zuletzt die im 17. Jh. als Gelöb-
nis errichtete Kapelle mit reizendem
barocken Altärchen.

Kirchenrechtlich gehörte Madau
ursprünglich der Pfarre Elbigenalp
an, ab dem Jahr 1786
zu Stockach/Bach.

Bei Unwettern, Lawinenabgängen,
bei Krankheiten und Unfällen suchte
man stets Zuflucht im Glauben. Wo
Ärzte nicht helfen konnten oder auf-
grund der Abgeschiedenheit nicht
zu erreichen waren, vertraute man
aufs Gebet. Neben dem religiösen
gab es jedoch auch den magischen
Volksglauben. Von Seiten der Kirche
nicht immer gut geheißen, prägte er
aber über viele Jahrhunderte hinweg
das Leben im ländlichen Bereich.

Die Künstlerin Anna Stainer-Knittel
machte bei ihren Wanderungen hier
oftmals Halt und Rast. In jenen alten
Stadeln, wo einst das Heu bis in den
Winter eingelagert wurde, genießen
heute Sommerfrischler die Ruhe und
Abgeschiedenheit in der Natur.